Rezension | Engelhard Mildt: Zeit der Unfreiheit. Gitter, Stacheldraht und Informanten 1951–1989. Erinnerungen

Engelhard Mildt: Zeit der Unfreiheit. Gitter, Stacheldraht und Informanten 1951–1989. Erinnerungen (Banater Bibliothek 16). München: Landsmannschaft der Banater Schwaben 2017. 381 S.

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Georg Herbstritt


Die Memoiren des in Temeswar (rum. Timișoara) aufgewachsenen Engelhard Mildt, der heute in Freiburg/Breisgau lebt, verdienen über den Kreis seiner Landsleute hinaus Beachtung. Denn seine Erinnerungen bieten nicht nur einen authentischen Einblick in die dunkelste Zeit des rumänischen Stalinismus. Mildt schreibt trotz des durchlebten Leids nüchtern, genau und reflektiert. Es ist kein in erster Linie anklagendes Buch, sondern eines, das Erlebtes dokumentieren möchte und dadurch letztlich umso überzeugender das Gewaltregime brandmarkt. Als Motiv für das Verfassen des Buches gibt Mildt eingangs an: „Ordnung in meinen Erinnerungen schaffen. Der Gedanke, diese vor dem Vergessen zu bewahren, schien irrelevant. Die Erkenntnis aber, dass ich mich dadurch von ihrer Last befreien könnte, kam mir erst, nachdem ich sie längst niedergeschrieben hatte.“

Dieser Ansatz zeugt von Bescheidenheit, die dem Buch gut bekommt. Im Zentrum stehen die dreizehn Jahre von 1951 bis 1964, in denen Mildt, Jahrgang 1929, als politischer Häftling in den Gefängnissen von Temeswar, Jilava, Gherla (dt. Armenierstadt) und Aiud (dt. Straßburg am Mieresch) sowie im Straflager bzw. der Arbeitskolonie Periprava Grind im Donaudelta eingesperrt war. Ausführlich schildert er zunächst die kaum bekannte Vorgeschichte: wie er mit einigen anderen Jugendlichen Flugblätter gegen die Bărăgan-Deportationen und die sowjetische Besatzungsmacht verteilte und andere Aktionen gegen die Sowjets geplant wurden. Elf junge Leute wurden aufgrund dessen verhaftet und zu sechs bis fünfzehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt; Mildts Strafe belief sich auf 14 Jahre. Mildt schildert die Torturen des Gefangenenlebens an jenen Orten, aber auch Strategien des Überlebens. Angesichts der unfassbaren Brutalität und der unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung bezeichnet er die Haftanstalten als die „Schlachthöfe für die abendländische Kultur und Zivilisation“. Aber es kam auch vor, dass die Gefangenen miteinander Sprachen, Literatur, Politik oder Geschichte lernten bzw. lehrten und sich daran ein bisschen aufrichten konnten.

Mildt schreibt auch über die Schicksale seiner Mit-Verurteilten. Einer von ihnen, Egon Zirkl, starb im Gefängnis, weil die Gefängnisleitung in Gherla ihm das lebensnotwendige Insulin verweigerte. Ein anderer, Herbert Winkler, wurde 1959 aus unerfindlichen Gründen zusammen mit Repräsentanten des Banater Katholizismus (Prälat Josef Nischbach, Professor Franz Kräuter, Priorin Hildegardis Wulff und anderen, die 1952 als „Spione des Vatikans“ zu hohen Haftstrafen verurteilt worden waren) nach Westdeutschland ausgetauscht. Für Mildt war die Zeit der Bedrängnis nach der Haftentlassung nicht zu Ende. Er widersetzte sich 1965 einem Anwerbeversuch der Securitate, war dann permanenter Bespitzelung ausgesetzt und wurde von der Geheimpolizei noch dreimal zu Verhören geholt. Die meisten seiner Leidensgefährten wanderten zwischen 1972 und 1986 in die BRD aus, Mildt im Juli 1989.

Indem Mildt auch über die anderen schreibt, geht sein Buch über eine reine Autobiografie hinaus. Dies, sowie sein sachlicher Stil und die Reflexionen darüber, welchen glücklichen Fügungen er sein Überleben verdankte und welche Folgen eine derartige Haft hatte, machen den besonderen Wert des informativen Buches aus.

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