Die Arbeit des Netzwerks Kulturgutschutz Ukraine / Ukraine Art Aid Center

Olena Balun, Akademie der Bildende Künste München

Dr. Olena Balun, geboren in Kyiw, lebt und arbeitet in Rosenheim und München. Nach dem Abschluss in Deutscher und Englischer Philologie an der Taras-Schewtschenko-Universität Kyiw 2004 hatte sie das Studium der Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München aufgenommen, wo sie anschließend über die ukrainische Avantgarde promovierte. Sie unterrichtete 2014-2016 Kunstgeschichte am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, arbeitete seit 2017 projektbezogen als Kuratorin, leitete 2021-2025 den Kunstverein Rosenheim. 2022-2024 war sie zunächst als Koordinatorin und später als Mitglied des Steuerungsteams im Ukraine Art Aid Center engagiert. Seit Oktober 2024 arbeitet sie als Kuratorin an der Akademie der Bildende Künste München.

Das Ukraine Art Aid Center (UAAC) ist ein internationales Hilfsnetzwerk mit einer Zentrale in Deutschland, das seit Anfang März 2022 Hilfe zur Rettung des ukrainischen Kulturerbes leistet. Im Netzwerk agieren zahlreiche Forschungsinstitute, Museen, Stiftungen, Fachverbände, Kunsthandel und Logistikunternehmen und viele weitere.1 Geleitet wird es von einer fünfköpfigen Steuerungsgruppe.2 Das hauptamtliche Koordinations- und Logistikteam befasst sich vor allem mit Management, Kommunikation, Verwaltung von Projekten, Ankauf, Lagerung und Transport von notwendigen Hilfsgütern sowie Zollabfertigung.

Da das Netzwerk kein Verein ist, hat eine gemeinnützige Organisation, die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft, als juristische Person die Abwicklung juristischer und finanzieller Anliegen übernommen. Von März bis Juni 2022 hat das UAAC auf Spendenbasis agiert. Höhere Beträge wurden u. a. von der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Hasso Plattner Foundation für die Finanzierung der Koordination und Logistik sowie zum Ankauf einiger Hilfsgüter gestiftet. Die ersten Hilfstransporte beinhalteten vor allem Materialspenden von verschiedenen Museen. Sie wurden nach einem öffentlichen Aufruf von World Heritage Watch beim Kunsttransportunternehmen Brandl Fine Art und Tandem gesammelt und dort zur weiteren Beförderung in die Ukraine vorbereitet. Bei den Gütern handelte es sich vor allem um Verpackungsmaterialien, diverse Transportcontainer und Feuerschutz. Die Hilfsgüter wurden von ukrainischen Logistikunternehmen in die Koordinationszentren nach Kyiw und Lwiw/Lemberg transportiert, und von da aus von ukrainischen ehrenamtlichen Koordinatoren und Koordinatorinnen weiterverteilt. Die direkte Zusammenarbeit mit ukrainischer Logistik und Koordination war von Anfang an erfolgreich und effektiv. Alle ukrainischen Koordinatoren und Koordinatorinnen arbeiten entweder in Museen oder im Kulturgutschutz. Sie sind über die aktuelle Situation und deren Entwicklung vor Ort stets informiert, was eine schnelle Bedarfsermittlung und ein gezieltes Handeln ermöglicht.

Diese Herangehensweise war erfolgreich und überzeugend, was dazu führte, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Claudia Roth mit Unterstützung des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte im östlichen Europa (BKGE) nach der Freigabe des Bundeshaushalts im Juli 2022 dem UAAC zunächst 1,5 Millionen Euro, und dann ab Oktober 2022 noch einmal denselben Betrag für den Kulturgutschutz der Ukraine zur Verfügung stellte. Das Geld wurde fristgerecht bis Ende Dezember 2022 ausgegeben.

Die Förderung durch die BKM hat die Größenordnung der Hilfsmaßnahmen verändert, der Ankauf größere Mengen sowie kostspieliger, spezieller Güter wurde möglich. Zudem wurde der Kreis der Institutionen, die unterstützt wurden, maßgeblich erweitert. Zu den zahlreichen Museen und Kirchen kamen Archive, Bibliotheken, einige Bildungsinstitutionen und Theater hinzu. Zu den Hilfsgütern, die in diesem Zuge erworben wurden, zählen unter anderem Geräte zur Klimakontrolle (Entfeuchter, Befeuchter, Hygrometer) und zur Stromversorgung (Powerstations und Generatoren – vier davon mit hoher Leistung bis zu 200 kW für Freilichtmuseen in Kyiw und Tschernihiw sowie Opernhäuser in Lwiw/Lemberg und Odessa), außerdem Arbeitskleidung, Baumaterialien, Werkzeug und Geräte zur Entladung der Hilfstransporte. Für einige Bibliotheken und Archive, darunter das Stadtarchiv in Tscherniwzi/Czernowitz und die Kyiwer Nationale Wernadsky-Bibliothek wurden feuerfeste Schränke angekauft.

Dank der Finanzierung konnte das Netzwerk schnell und effektiv auf Notsituationen reagieren. Die Raketenangriffe auf die Kyiwer Innenstadt im Oktober 2022 verursachten zahlreiche Schäden an sechs Museen, zwei Hauptgebäuden und der Bibliothek der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität sowie an mehreren Bauten der Nationalen Wissenschaftsakademie. Das UAAC konnte binnen weniger Tage LKWs mit Baumaterialien in die ukrainische Hauptstadt schicken.

Des Weiteren wurden mehrere Großprojekte3 durchgeführt, darunter Ertüchtigungs- und Digitalisierungsmaßnahmen. Ertüchtigt wurde vor allem die technische Ausstattung oder der bauliche Zustand einzelner Institutionen. Zahlreiche Museumsbauten, die nicht selten Baudenkmäler sind, waren bereits vor dem Krieg renovierungsbedürftig. Staatliche Finanzierung wurde ihnen zwar genehmigt, aber mit dem Kriegsbeginn wieder gestrichen. Im Rahmen der Ertüchtigungsarbeit konnte das UAAC das alte, marode Heizungssystem für das Museum für Westliche und Östliche Kunst in Odessa ersetzen und einen drohenden Wasserschaden im diesem historischen Bau verhindern. Am Goldenen Tor in Kyiw wurde der Feuerschutz erneuert. Museen der Kyiw-Petschersk-Lawra, die Teil des UNESCO-Welterbes sind, bekamen eine Solaranlage, die es möglich gemacht hat, den Betrieb der elektrischen Heizung trotz ständiger Bombardements der Infrastruktur im Winter aufrechtzuerhalten.

Projekte zur digitalen Sicherung der Kulturgüter und Denkmäler betrafen unterschiedliche Kulturinstitutionen. Es wurden Scanner, PCs, Laptops sowie Fotokameras für Bibliotheken und Archive an mehreren Standorten angekauft. Seit dem Sommer 2022 unterstützt das UAAC die Initiative SaveUkrainianHeritage des ukrainischen Unternehmens SKEIRON, das seit Kriegsbeginn Sammlungen, aber vor allem Baudenkmäler mittels 3D-Scan und Fotogrammetrie digitalisiert. In diesem Zusammenhang ist auch die Unterstützung des Projekts des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) zustande gekommen, in dessen Rahmen mehrere Gebäudekomplexe der Czernowitzer Nationalen Jurij-Fedkowytsch-Universität digital erfasst wurden, sowie als Teilprojekt in landeskundlichen Museen Czernowitz und Woloka eine Fotodokumentation der Bestände durchgeführt wurde. 

Im Zeitraum von März 2022 bis Mai 2023 hat das UAAC ca. 270 Tonnen Hilfsgüter in die Ukraine geschickt (33 LKWs, 3 DB-Container via DB-Cargo, mehrere Busse). Damit wurden knapp 700 Institutionen beliefert, darunter Museen, Archive, Universitäten, Bibliotheken, Theater und zahlreiche Kirchen. Vom Januar bis Ende Juli 2023 hat das Netzwerk auf Spendenbasis agiert. Im August 2023 wurde wieder dank Vermittlung des BKGE die staatliche Finanzierung durch das Auswärtige Amt und das BKM fortgesetzt.

Dr. Olena Balun, geboren in Kyiw, lebt und arbeitet in Rosenheim und München. Nach dem Abschluss in Deutscher und Englischer Philologie an der Taras-Schewtschenko-Universität Kyiw 2004 hatte sie das Studium der Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München aufgenommen, wo sie anschließend über die ukrainische Avantgarde promovierte. Sie unterrichtete 2014-2016 Kunstgeschichte am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, arbeitete seit 2017 projektbezogen als Kuratorin, leitete 2021-2025 den Kunstverein Rosenheim. 2022–2024 war sie zunächst als Koordinatorin und später als Mitglied des Steuerungsteams im Ukraine Art Aid Center engagiert. Seit Oktober 2024 arbeitet sie als Kuratorin an der Akademie der Bildende Künste München.

  1. Beteiligte Organisationen und Sponsoren aus Deutschland seit März 2022 in zufälliger Reihenfolge: Deutscher Verband für Kunstgeschichte e.V., Deutsch–Ukrainische Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft e.V., Max–Liebermann–Gesellschaft Berlin e.V., Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa Oldenburg, Ernst von Siemens Kunststiftung, Hasso Plattner Foundation, Tandem Lagerhaus und Kraftverkehr Kunst GmbH, Brandl Fine Art, Schlien & friends GmbH, Johnson Controls International plc, Stiftung KUNSTFORUM der Berliner Volksbank gGmbH, Nathan Fine Art, Landesfeuerwehrverband Rheinland-Pfalz, World Heritage Watch, Verband der Restauratoren e.V., ZEIT-Verlagsgruppe, Weng Fine Art, Kunsthandlung Julius Böhler, Kulturfonds Peter E. Eckes, European Heritage Volunteers, Staatsbibliothek Berlin, ICOM Schweiz, Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte in Winterthur, ALIPH Foundation, ICOM Österreich, OSZE Wien u.v.m. ↩︎
  2. Dr. Olena Balun (freie Kuratorin), Prof. Dr. Kilian Heck (Universität Greifswald), Klaus Hillmann (Tandem Kunst), Prof. Dr. Matthias Müller (Universität Mainz), Dr. Johannes Nathan (Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin). ↩︎
  3. Projektträger in zufälliger Reihenfolge: Deutsches Dokumentationszentrum Bildarchiv Foto Marburg, Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München, Pilecki Institut Berlin, SKEIRON (Initiative SaveUkrainianHeritage), Museum für Westliche und Östliche Kunst Odesa, Kyiw-Petscherks-Lawra (Museumsareal des Höhlenklosters, UNESCO-Welterbestätte), Museenkomplex der Sophienkathedrale Kyiw (Denkmalstätte Goldenes Tor), Museum für Jüdische Geschichte und Kultur des Bukowina in Czernowitz, MOCA (NGO Museum of Contemporary Art Kyiw), Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa in Lüneburg, Technische Informationsbibliothek Hannover. ↩︎
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