Vorwort des Gründers der Halbjahresschrift

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Im Folgenden möchte ich kurz darlegen, was der Grund für die Herausgabe der wissenschaftlichen Zeitschrift Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik (HJS) war und weshalb sie nun vom Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München fortgesetzt wird.

Im Jahr 1969 gelang es mir, mich über Österreich zu meiner Grußmutter, zu meinen Onkeln und Tanten in der Bundesrepublik Deutschland aus Rumänien abzusetzen. Bei meiner Ankunft befiel mich ein blankes Entsetzen, als ich vernahm, dass viele ehemaligen Nazis, die nach 1940 mit der Unterstützung Hitlerdeutschlands die Führung der deutschen Volksgruppe in Rumänien übernommen, sie gleichgeschaltet und sie in die größte Katastrophe ihrer Geschichte gestürzt hatten, die Führungen der Landsmannschaften der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben auf Bundes-, Landes- und Kreisebene beherrschten. Als dann 1985 meine Dissertation Das Nationalsozialistische Deutschland und die Deutsche Volksgruppe in Rumänien 1936–1944 im Peter Lang-Verlag erschien, erhielt ich am 6. September 1985 von Samuel Liebhart, ehemaliger SS-Mann und Vorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, Gebietsgruppe Saarland, ein Schreiben, in dem unter anderem stand:

Sie sind dem heutigen linken journalistischen Zeitgeist verfallen, indem Sie sich diesem Sprachgebrauch und dieser Diktion völlig anpassen. […] Hitler hatte sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker und auf das Unrecht des Versailler Diktates berufen, so, dass Hitler auch von Polen ehemals widerrechtlich entrissene deutsche Gebiete zurückforderte. […] Die tödliche Gefahr ging nicht von Deutschland aus, sondern vom russischen Kommunismus, und diese Gefahr haben die einfachen freiwilligen Soldaten aus Siebenbürgen an der Front besser erkannt als mancher konservative Politiker. […] Sie selbst haben sich dem derzeitigen Zeitgeist nicht nur in der Sprache und Diktion angepasst, sondern auch Ihre Haltung ist dem derzeitigen Zeitgeist entsprechend […].

Zu den anderen Beleidigungen und Beschimpfungen möchte ich mich nicht äußern, weil sie sich vom Niveau eines klar denkenden Menschen stark abheben. So entschied ich mich, auf einer wissenschaftlichen Grundlage, mit Historikern, Soziologen und Schriftstellern jene für die Deutschen im Südosten Europas verheerende Zeit nachzuzeichnen. Um das verwirklichen zu können, lud ich für den 26. August 1987 26 Personen – Historiker, Politologen, Schriftsteller, Theologen und Soziologen – in den Schlosskeller von Ippesheim/Mittelfranken ein, um einen Arbeitskreis für Geschichte und Kultur der deutschen Siedlungsgebiete im Südosten Europas zu gründen, was dann am besagten Tag auch geschah. Zweck des Arbeitskreises war es, die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen in der Zwischenkriegs- und Kriegszeit sowie nach 1945 in Ostmittel- und Südosteuropa aufzuarbeiten und darüber zu publizieren. Um das verwirklichen zu können, riefen wir 1989 die wissenschaftliche Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik ins Leben. Seit 1989 bis 2016 haben die Autoren sich um eine umfassende und objektive Darstellung der Lage in den Ländern Ostmittel- und Südosteuropas bemüht und lehnten Nationalismus, Revisionismus und politischen Extremismus jeglicher Couleur ab.

Im Laufe der Jahre wandelte sich die Struktur der Halbjahresschrift immer wieder: Neue Rubriken kamen dazu, andere wurden aufgegeben oder inhaltlich verändert. Das Register für die Jahrgänge 1 bis 25 (1989 bis 2013) und von 26 bis 28 (2014 bis 2016) dokumentieren die Themenschwerpunkte und die Themenvielfalt der Zeitschrift ebenso wie das Engagement von Herausgeber und Redaktion, zeitgeschichtliche Fragestellungen kritisch und verantwortungsbewusst zu behandeln.

Aus Gesundheits- und Altersgründen musste ich nach der Veröffentlichung des 28. Jahrgangs 2016 auf die Fortsetzung der Herausgabe verzichten. Am 14. Februar 2018 fand zwischen mir (Dr. Johann Böhm, bisheriger Herausgeber) und Dr. Florian Kührer-Wielach (Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München) und Dr. Georg Herbstritt (Redaktionsmitglied) ein persönliches Gespräch statt. Wir vereinbarten, dass ich die Liste der Abonnenten und zur Weiterführung der Halbjahresschrift an Herrn Dr. Kührer-Wielach übergeben möge. Auch einigten wir uns darüber, dass der Zeitschriftentitel geringfügig in Halbjahresschrift für Geschichte und Zeitgeschehen in Zentral- und Südosteuropa geändert würde. Die inhaltliche Grundausrichtung wird vom neuen Herausgeber beibehalten werden.

Dr. Johann Böhm

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