Rezension | Karl-Reinhart Trauner: Konfessionalität und Nationalität

Karl-Reinhart Trauner: Konfessionalität und Nationalität. Die evangelische Pfarrgemeinde Marburg/Maribor im 19. und 20. Jahrhundert. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 2019. 544 S., eine Karte, zahlreiche Tabellen, 8 Abb.

Karl W. Schwarz


Der Verfasser studierte Theologie und Geschichte und beendete beide Studienrichtungen mit einer Promotion, wobei jener zum Dr. theol. eine umfangreiche Dissertation über die Los-von-Rom-Bewegung zugrunde lag (Szentendre 1999, ²2006). Darin definierte der Verfasser diese als eine „gesellschaftspolitische und kirchliche Strömung in der ausgehenden Habsburgermonarchie“ und bezifferte ihr Ausmaß im gesamten „Cisleithanien“ auf etwa 75.000 Personen, die sich von Rom abwendeten und sich der Evangelischen Kirche A. u. H. B. anschlossen, hauptsächlich in Nordböhmen und in der Steiermark – mit Auswirkungen auf die Untersteiermark (sl. Spodnja Štajerska). In diesem Zusammenhang stieß Trauner auf die evangelische Pfarrgemeinde in Marburg an der Drau (sl. Maribor), die er als typische Los-von-Rom-Gemeinde identifizierte.

In dem rezenten Buch, das 2015 als Habilitationsschrift an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien für das Fach Kirchengeschichte angenommen wurde, liefert der Verfasser eine Mikrostudie zum Thema „Konfessionalität und Nationalität“, wobei er die spannungsreiche „Konfliktgeschichte“ im Mikrokosmos einer evangelischen Pfarrgemeinde im Grenzgebiet als Beispiel nimmt, um „die politische, kulturelle und wirtschaftliche, vor allem aber kirchliche Entwicklung“ (S. 17) im größeren Kontext darzulegen und Südostmitteleuropa insgesamt in den Blick zu nehmen. Das ist ein gewagtes Unterfangen, denn allein die Konfessionsstatistik zeigt schon eklatante Unterschiede zwischen Marburg und dem 1918 gebildeten Staat der Südslawen, wo die etwa 240.000 Protestanten eine krasse Minderheit waren – gegenüber sechs Millionen orthodoxen Serben, fünf Millionen Katholiken unter Kroaten und Slowenen, Magyaren und Donauschwaben, 1,4 Millionen Muslimen und 60.000 Juden. In Marburg wies die letzte Volkszählung der Habsburgermonarchie (S. 427) bei knapp 28.000 Einwohnern überwiegend deutscher Nationalität (23.000) nur Katholiken und 1.200 Protestanten aus. Muslime fehlten vollständig, Orthodoxe und Juden waren nur marginal vertreten, obwohl sich in der Stadt die älteste Synagoge Sloweniens befindet.

Das Buch ist chronologisch in acht Abschnitte gegliedert. Es klärt zunächst methodische und metatheoretische Fragen, benennt die Schlüsselbegriffe „Nationalität“, „Konfession und Konfessionalität“ und erörtert die Topografien „Untersteiermark“ und „Südostmitteleuropa“. Sodann thematisiert es in einem zweiten Abschnitt die „Entstehung der Pfarrgemeinde Marburg unter den Vorzeichen des Liberalismus“ – ursprünglich als Doppelgemeinde mit Pettau (sl. Ptuj) – und charakterisiert den Protestantismus als „Konfession der bürgerlichen Moderne“ (S. 84). Als „Agglomerationsverstärker“ begegnet hier der Ausbau der Südbahn, weil in Marburg eine Werkstätte eingerichtet wurde, die zum größten „Industrieunternehmen“ anwuchs und eine verstärkte Zuwanderung (S. 45) zur Folge hatte.

Der dritte Abschnitt behandelt „Nationalismus und Los-von-Rom-Bewegung“ an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Damit knüpft der Verfasser an seine Dissertation und einige frühere regionalbezogene Arbeiten in deren Umfeld (Graz, Salzburg, Innsbruck) an. Der vierte Abschnitt handelt von der „politischen Transformation“ nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie, der „Auflösungserscheinungen der kirchlichen Strukturen“ (S. 196) und unter erschwerten Bedingungen einen „erzwungenen Neuanfang“ (S. 210) zur Folge hatte. Dann folgen die Entwicklungslinien der Pfarrgemeinde „im Sog des Nationalsozialismus“ (S. 245), wobei der amtsführende Pfarrer Johann Baron, der zugleich Sprecher des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes war, die „Volksdeutsche Sendung“ im deutschen Südosten (S. 256) personifizierte.

Der sechste Abschnitt hat die Zeit des „kommunistischen Jugoslawien“ (S. 318) zum Inhalt – mit einer „Homogenisierung“ (S. 320) des wiederhergestellten Landes und dem Zusammenbruch der „deutschen Volksgruppenkirche“ (S. 333). Trauner erörtert die Religionsgesetzgebung (S. 326), die antikirchliche Tendenzen aufweist und eine weitgehende Säkularisierung beförderte sowie massive Verfolgungen der muslimischen Glaubensgemeinschaft als „Feinde des gesellschaftlichen Fortschritts“ und der römisch-katholischen Kirche als „Handlangerin des Faschismus“ (S. 330) ermöglichte. Eine „Kontinuität der Pfarrgemeinde“ (S. 332), trotz massiver politischer Eingriffe, die von der Schließung der Christuskirche bis zur „Nationalisierung“ der kirchlichen Gebäude reichte, lag in dem „stetigen Zuzug aus dem Übermurgebiet“ (sl. Prekmurje) (S. 333), der die ehemals „deutsche Kirchengemeinde“ umwandelte. Eine Erhebung ergab 1951 eine Mitgliederzahl von 206, die sich bis 1954 auf 401 in 174 Familien vergrößerte (S. 338). Die Volkszählung 1953 wies für Slowenien eine Gesamtzahl von 21.500 Evangelischen mit großer Mehrheit im Übermurgebiet aus, darunter 237 mit deutscher Muttersprache. Die den Evangelischen weggenommene Kirche wurde für den orthodoxen Gottesdienst bestimmt, die Kirchen in den Filialgemeinden weitgehend zerstört. Ein Neubeginn, datiert auf das Jahr 1953 (S. 345), verflachte bald, obwohl konzeptionell der Versuch einer „historischen Anbindung“ (S. 348) an die Tradition von Primus Truber im 16. Jahrhundert unternommen wurde und 1962 die Pfarrgemeinde als Gastgeberin einer „Europäischen Konferenz der lutherischen Minderheitenkirchen“ am Bachergebirge (sl. Pohorje) fungierte und der wissenschaftliche Austausch der Truber-Forschung, repräsentiert durch Mirko Rupel und Oskar Sakrausky, aufgenommen wurde. Rupels verdienstvolle Truber-Biografie wurde von dem aus Pettau stammenden Grazer Historiker Balduin Saria ins Deutsche übersetzt und bearbeitet (S. 358). Die Feststellung vom schleichenden Niedergang der Gemeinde Ende der 1960er- und 1970er-Jahre mündet in Überlegungen, sogar die Kirche abzutragen, beziehungsweise in die groteske Umwidmung derselben in eine „Tischlerwerkstätte“ (S. 362).

„Republik Slowenien“ (S. 363) lautet die Überschrift des siebten Abschnittes, der mit Juni 1991 einsetzt und den seitherigen „Demokratisierungs- und Selbstfindungsprozess“ schildert, in dem die evangelische Pfarrgemeinde „ihren konstruktiven Platz“ zu finden hatte. Slowenien suchte den Anschluss an Mitteleuropa, um den „babylonischen Verhältnissen auf dem Balkan zu entrinnen“ (S. 365). Dazu diente auch die Erinnerung an Truber, dessen Lebenslauf einen beachtlichen mitteleuropäischen Aktionsrahmen aufweist und der deshalb gelegentlich als Vorzeige-Europäer apostrophiert wurde (Ministerpräsident Peterle) und auf einer slowenischen Euro-Münze Platz fand. Seine Wiederentdeckung 1951 bezog sich allerdings ausschließlich auf seine kulturgeschichtliche Bedeutung; seine Bedeutung als homo religiosus rückte erst nach der gesellschaftlichen Wende ins allgemeine Bewusstsein.

Auf drei Säulen basiere die politische Kultur Sloweniens (S. 376): dem „katholischen Block“, der als „der festgefügteste und bestorganisierte Teilbereich der slowenischen Gesellschaft“ (ebd.) vorgestellt wird, dem sozialistischen und dem liberalen Lager. Die Evangelische Kirche A. B. hat heute einen Mitgliederanteil von 0,8 Prozent an der Gesamtbevölkerung und umfasst rund 15.000 Mitglieder (S. 382) in vierzehn Pfarrgemeinden, deren Schwerpunkt im Übermurgebiet (zehn Gemeinden) mit dem Zentrum in Olsnitz (sl. Murska Sobota, ung. Muraszombat) liegt; dazu kommen noch drei Gemeinden mit sehr geringen Mitgliederzahlen in Laibach (sl. Ljubljana), Marburg und Abstall (sl. Apače) (S. 385).

Vor diesem eindrucksvollen Panorama möchte ich an einzelnen Punkten mit dem Verfasser ins Gespräch kommen und einige Anmerkungen machen. Dass Trauner erst mit der Gründung der Pfarrgemeinde 1862 – im Zeichen des Liberalismus – einsetzt und auf das Reformationszeitalter nicht Bezug nimmt, hängt mit der Diskontinuität zusammen, denn mit der Gegenreformation der Habsburger ging das reformatorische Erbe unter, gerade auch das theologische Schrifttum eines Primus Truber, Georg Dalmatin, Adam Bohorič, das ebenso wie Trubers slowenische Kirchenordnung in den Flammen der Gegenreformation verbrannte; einzig die Dalmatinbibel (Wittenberg 1584) konnte überdauern und wurde vom katholischen Klerus benutzt. Truber wird in dem rezenten Buch aber wiederholt erwähnt, einmal im Zusammenhang mit seinem 400-Jahr-Jubiläum im Jahr 1908, bei dem der slowenische Schriftsteller Ivan Cankar seine antiklerikalen Vorbehalte artikulierte und dem liberalen Aufbruch das Wort gab (S. 54), aber auch nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie, als die Luthergasse in Trubarjeva ulica umbenannt wurde (S. 350) und nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Truber-Jubiläum zu einer verstärkten Beschäftigung mit dem Reformator führte – schließlich in den 1960er-Jahren, als mit Truber der Versuch einer Integration unternommen wurde.

Eine zweite Anmerkung sei zur Schulpolitik im 19. Jahrhundert erlaubt, die den nationalen Konflikt in voller Schärfe zeigte, insbesondere am „Fall Cilli“, der zu einer „Haupt- und Staatsaktion“, ja zur Frage deutscher Selbstbehauptung hochstilisiert wurde (S. 57) und eine spektakuläre Regierungskrise auslöste. Die Schulfrage wurde zu einem der am heftigsten umkämpften Themen im Nationalitätenkonflikt (S. 58), ja steigerte sich seit den 1890er-Jahren zu einem richtiggehenden „Volkstumskampf“ (S. 58). Der „Fall Cilli“ gärte auch nach der Sprachenverordnung des Grafen Kasimir Badeni 1897, die zum Auslöser der Los-von-Rom-Bewegung wurde. Deren Umfang wurde in der Literatur unterschiedlich beziffert (Trauner nennt die Zahl 76.000) – je nachdem, wie lang sie gefasst wurde; manche Autoren zählen die 1920er-Jahre (Übertritte aus Gründen des konfessionellen Eherechts) und die 1930er-Jahre (katholischer Ständestaat) dazu und kommen zu anderen Ergebnissen. Marburg wurde zu einer typischen und führenden „Los-von-Rom-Gemeinde“ (S. 106).

Auch unter den Slowenen registriert Trauner eine Los-von-Rom-Bewegung, etwa angeregt durch den schon erwähnten Literaten Ivan Cankar oder den Bürgermeister von Laibach, Ivan Tavčar, der in seiner Zeitung Slovenski Narod permanent die katholische Kirche angriff, insbesondere Fürstbischof Anton B. Jeglič, und zum Boykott der katholischen Messe aufrief und das Schlagwort „Los von Rom!“ aufgriff: Es sei von nun an das Losungswort der wahrhaft „slovenischen Partei“ (S. 116). Insgesamt fasste die Los von-Rom-Bewegung unter den Slowenen aber kaum Fuß. Dort herrschte das Vorurteil: Protestantismus sei zwar eine „ganz hübsche Religion“, „aber das ist nicht für uns, das ist nur für die Deutschen“ (S. 116).

Der wichtigste Adept des Führers der Alldeutschen, Georg Ritter von Schönerer, war der aus dem Westfälischen stammende junge Pastor Ludwig Mahnert. Er war, vom Evangelischen Bund zur Förderung deutsch-protestantischer Interessen angeworben, nach Österreich gekommen, um dort Missionsarbeit für die deutsch-evangelische Sache zu betreiben – für die deutsche Leitkultur, die er als „Katalysator des Fortschritts“ begriff. „Deutschevangelisch“ war er „ohne Bindestrich“, wie er sich zu bezeichnen pflegte. Seine Begegnung mit Schönerer empfand er als „Ritterschlag zur Arbeit und zum Kampfe“. Das Pathos seiner Sprache gerann ihm zur Literatur. Sein Roman Die Hungerglocke handelt von der Los-von-Rom-Bewegung in der Untersteiermark und erlebte zahlreiche Auflagen. Der Schriftsteller Rudolf Hans Bartschhat in seinem Landschaftsroman Das deutsche Leid (Leipzig 1912) dem lebens- und kampfesfrohen Wirken Mahnerts ein literarisches Denkmal gesetzt.

Mahnert musste 1919 aus Marburg weichen. In einer scharfen Predigt beim Begräbnis eines Leutnants der Schutzwehr, der nach der Entwaffnung erschossen wurde, bezeichnete er dies als „feigen Mord“ und gelobte, dass niemals die Slowenen das deutsche Element in der alten „deutschen Markburg“ unterkriegen sollten (S. 204f.). Es gebe einen Meister, der über allen „irdischen Meister[n]/Maister[n]“ stünde. Er wurde daraufhin verhaftet, nach zweiwöchiger Haft nach Intervention beim slowenischen Justizministerium auf freien Fuß gesetzt und konnte nach Österreich entweichen. Wenige Tage später, am 27. Januar 1919, folgte der so genannte Marburger Bluttag, als die Bevölkerung für den Verbleib Marburgs bei Österreich demonstrierte und von den Truppen des Generals Rudolf Maister beschossen wurde.

Die Auflösung der Habsburgermonarchie führte zur Abspaltung der Pfarrgemeinden von der Evangelischen Kirche A. u. H. B. in Österreich und zur Sammlung eines evangelischen Seniorates in Slowenien, an dessen Spitze ab 1925 Johann Baron in Marburg stand. Der Protestantismus im neuen SHS-Staat, der einmal als der „österreichischste“ aller Nachfolgestaaten der Donaumonarchie bezeichnet wurde, hatte sich völlig neu zu ordnen. Nach langwierigen Vorarbeiten konnte 1930 ein Protestantengesetz promulgiert und auf dessen Grundlage eine Deutsche Evangelische Kirche konstituiert werden. Sie wurde von dem Donauschwaben Philipp Popp geleitet und hatte ihren Schwerpunkt in den donauschwäbischen Gemeinden in der Batschka. Dort bestand neben der deutschen Kirche auch eine kleine slowakisch-lutherische (mit 50.000 Mitgliedern) und eine magyarisch-reformierte Kirche (mit 65.000 Mitgliedern), so dass der Protestantismus im SHS-Staat mit 240.000 Mitgliedern in drei Kirchen gegliedert war; zur Deutschen Kirche gehörte aber auch ein slowenisches Seniorat im Prekmurje und ein lutherisches Seniorat unter den Magyaren in der Batschka.

Neben dem Bischof, der in Zagreb seinen Sitz hatte und gute Beziehungen zum Königshaus und zum Staat pflegte (auch den Titel eines staatlichen Senators trug), wirkte aber nach außen hin der Altösterreicher Gerhard May, der in der Ökumene und im westlichen Ausland bewanderte Pfarrer von Cilli. Er hatte im Jahre 1934 ein Buch mit dem scheinbar vielsagenden Titel Die volksdeutsche Sendung der Kirche veröffentlicht, das die schwierige Diasporasituation im Jugoslawien der Zwischenkriegszeit widerspiegelt, aber durch seinen aus Gründen der politischen Konjunktur gewählten Titel zu Schlussfolgerungen verleitet, die über die „doppelte Diaspora“ in Jugoslawien hinausweisen. May verfolgte nämlich auch das Ziel, das „binnendeutsch“ ausgerichtete Problembewusstsein der deutschen theologischen Wissenschaft zu korrigieren und die schwierige Diasporalage des „außendeutschen“ Protestantismus gegenüber fremden Konfessionen, einem fremden Volk und einem fremden Staat in Erinnerung zu rufen.

Der 6. April 1941 veränderte die Situation der evangelischen Kirchengemeinden in Marburg, Cilli und Laibach. Die Untersteiermark wurde wieder mit der Steiermark, die Oberkrain mit Kärnten vereinigt. Pfarrer Baron empfing alsSprecher der deutschen Minderheit Hitler in Marburg: Dort wurde der Auftrag formuliert, dieses Land wieder deutsch zu machen. Auch Baron und May waren als Funktionäre des Schwäbisch-deutschen Kulturbundes daran beteiligt. May lehnte zwar eine hauptamtliche politische Tätigkeit ab, er übernahm gleichwohl das Kulturreferat und veröffentlichte 1943 eine Einführung in die Stadtgeschichte, welche die 1941 erfolgte Revision des Grenzverlaufs legitimierte. Noch vor dem Ende des Krieges wurde Gerhard May 1944 nach Wien berufen, aber nicht in eine akademische Funktion, sondern als Bischof der Evangelischen Kirche. Seine volksdeutsche Prägung und seine politischen Ambitionen ließ er zurück und wandelte sich „vom volksdeutschen Vordenker in Slowenien zum bischöflichen Wegweiser der Evangelischen Kirche in Österreich“, als der er seiner Kirche „politische Abstinenz“ (S. 358) verordnete.

Das Buch, dessen roter Faden im Titel aufscheint und das das Spannungsgefüge „Konfessionalität und Nationalität“ im Fokus einer evangelischen Pfarrgemeinde darstellt, ist aus mehreren Gründen faszinierend: Es ist die Schilderung der Entwicklungslinien quer durch die Zeiten, verbunden mit milieugeschichtlichen Exkursen, angereichert mit einem wachen Interesse an demografischen Grundlagen – zu ersehen an der sozialwissenschaftlichen Akribie, mit der Trauner die kirchlichen Jahresberichte, Matrikeln und Volkszählungsergebnisse auswertet und im Anhang dokumentiert. Besonders reizvoll sind Vergleiche mit ähnlichen plurikulturellen Konstellationen in Görz (it. Gorizia), Teschen (tsch. Tĕšín, pl. Cieszyn) oder Triest (it. Trieste, sl. Trst) (S. 55). Gelegentlich wird ein Vergleich mit Siebenbürgen oder mit dem Sudeten- und Beskidendeutschtum beziehungsweise mit der Bukowina hergestellt, seltener mit den evangelischen Gemeinden in der Batschka oder im Banat, wo bekanntlich eine reichere Multikonfessionalität vorherrschte und plurikulturelle und -ethnische Bedingungen gegeben waren.

Das Buch liefert wertvolle historiografische Impulse und bereichert die einschlägige Forschung durch methodische Weitungen und sozialwissenschaftliche Ergänzungen, berücksichtigt demografische Perspektiven, die bislang zu kurz gekommen sind; es ist, um es auf den Punkt zu bringen, ein Gewinn für die Kirchen- und Kulturgeschichte des apostrophierten mitteleuropäischen Raumes.

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